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Aurelia! – 5. Poetry Slam am Gymnasium Augustinianum

Eingestellt von: In: Schuljahr 2014/2015 06 Mrz 2015 Kommentare: 0

Tolle_Texte_Viele_Punkte„Plitsch. Platsch. Plitsch. Platsch.“ Wiebke Plagemann lässt es regnen. Sanft, fast leise nimmt sie die Zuhörer mit auf ihren „Aussichtsturm“, groovt sie in den Rhythmus ihres Slam-Beitrages, schlägt sie in ihren Bann: „Du sitzt am Fenster und beobachtest Gespenster.“ Was dann folgt ist eine Kaskade aus Ellipsen und Metaphern, ein Spiel mit Worten und Bildern, um Dinge zu sagen, Bedenken zu stellen, Großes zu fragen. Wiebke Plagemann spürt ihrem erzählten Du in ihren Reimen unerbittlich nach: „Ist es das, was Du willst? … Dass die Sonne nicht scheint, denn deine weint? Und du merkst: Du bist dein größter Feind.“

Für viele im Publikum beim 5. Poetry Slam des Augustinianums ist bis zum Mittwochabend kaum vorstellbar, dass eine Schülerin der EP (Klasse 10) derartige Texte schreiben und auch noch vortragen kann. Großartig. Eine bislang nicht dagewesene Zuschauerzahl von 80 Schülerinnen und Schülern, einigen Eltern, wenigen Lehrerinnen und Lehrern, die allerdings vor Stolz über die Auftritte „ihrer“ Eleven nachgerade platzen, drängt sich im „Aquarium“, sonst bevorzugter Klausurraum der Schule, jetzt liebevoll hergerichtetes Wohnzimmer. 21 Gedichte und Texte werden von Schülerinnen und Schülern der EP freiwillig zum Vortrag gebracht, vom Publikum unmittelbar gewürdigt und bewertet. „Untergang“ das Thema, geboren infolge des „extraordinären Regenereignisses“ des letzten Jahres, bei dem die Schule buchstäblich unterging, wie die organisierenden Lehrkräfte Jan Dirk Busemann, Antje Husmann und Feeline Hüser erklären, die Schülerinnen Kyra Anna Weiß und Nele Becker als MCs des Abends, als Master of Ceremony, führen gekonnt durch das Programm.

Originelle Themeninterpretationen gibt es zuhauf. Während Altemur Ince am passenden Ort die „Klausur“ als Gelegenheit eines oder seines Untergangs beschreibt, lässt Xenia Rukosujew ein Pappboot namens „Titan“ zu Wasser, das für alle Beteiligten überraschend sinkt. Alexander Beuning will den Untergang verschieben [„Niedergang? – Nein, warte“], Lena Langweg findet in ihrer alphabetisch geordneten „Gedankenbibliothek“ „zwischen ‚S‘ wie Sicherheit und ‚U‘ wie Untergang .. einen neuen 27. Buchstaben“, die am Ende drittplatzierte Tatjana Kramer trägt mit ihrer „Hymne an die Humanität“ schwerste Philosophie zwischen „Dystopie und Utopie“ mit leichter Hand und souverän vor und in einem sehr persönlichen Text beschäftigt sich Justine Werner in ihrem „Abgedriftet“ mit der Frage, wie man eigene Untergänge vermeidet und findet ihre Oma zitierend „Tu nur das, was Dir gefällt.“

Schwere Kost bisweilen, die hier serviert wird, dennoch gibt es auch jede Menge zu lachen. Dafür sorgt vor allem der Sieger des Abends Fatih Yagmur, der sich in einem finalen Klatschentscheid ob Punktegleichheit knapp gegen Wiebke Plagemann durchsetzt.

Es heißt, dass der Slam-Erfolg zu je 30 Prozent der Qualität von Idee, Text und Vortrag geschuldet sei, die letzten 10 Prozent beruhen auf Magie. Wenn das stimmt, ist Fatih Yagmur der Magier des Abends. So manchen und manche im Publikum dürfte sein männlich-markant gerauntes „Aurelia“ bis in die nächtlichen Träume verfolgt haben. Der Schul-Slam-Meister 2015 gibt den alternden Latin Lover und besingt seine angebetete Aurelia. Diese sei sein Untergang, möglicherweise, so ahnt das Auditorium, ist es aber auch umgekehrt. Das ist garantiert nicht politically correct, aber schreiend komisch. Und scheitert die Verführung im Slam-Text noch an Details wie der Tatsache, dass unser Held verheiratet ist, so gibt sich der Saal der Verführung durch Fatih Yagmur hin, ist Wachs in den Händen des ‚Magiers‘.

Es ist ein jederzeit aufmerksames, faires und begeisterungsfähiges Publikum, das alle Vorträge zu würdigen weiß und wohl keiner der Slammer dürfte bereut haben, seine Freizeit in der Schule verbracht zu haben. Der guten Auftritte wie Texte sind es viele. Wütende, Orientierungslosigkeit spiegelnde, melancholische Slam-Beiträge, düstere Selbstfindungsversuche, die zumeist zu positiven Perspektiven geführt werden, leichte, ironisierende Reimversuche. Dazwischen wird immer wieder gelacht. Untergang? Die Antwort der meisten Slammer gibt Alexander Beuning: „Carpe diem, mein Freund.“ Oder wie Fatih Yagmur es ausdrückt: „Aurelia, du machst mich ganz fruchtig.“